Freitag, 26. Oktober 2012

funktionen der farbe

Die Lokalfarbe

ist die eigenfarbe des im bild dargestellten gegenstandes  unter „objektiven“ bedingungen / lichtverhaeltnissen. dies kann man auch in der malerei der renaissance beobachten.
Leonardo da Vinci: "Die Dame mit dem Hermelin", um 1490
 



 









 

 

Die Symbolfarbe

 Romanik: Giotto
liegt als bedeutende aussage „ueber“  dem gegenstand. worauf sie hinweist, ist den anschauungen der zeit zu entnhemen. ob z.B.  rot das daemonische  oder die freude, das leben versinnbildlicht  haengt von dem kontext und dem kulturkreis ab.
gold hat in der mittelalterlichen malerei einen eigenen wert.: das kostbare schlechthin, das ueberirdische, hinweis auf das goettliche oder den heiligen geist die symbolfarbe wird besonders im mittelalter verwendet.






 

Die Erscheinungsfarbe

Claude Monet, „Heuschober, Effekt bei Raureif“, 1891
gibt nur den optischen eindruck wieder. sie wird auch reflexfarbe genannt. der maler interessiert 
sich mehr fuer die reflexe, die farben, die auf dem gegenstand schillern, erscheinen, die atmosphaere. er interessiert sich nicht fuer die reale farbe des gegenstandes . dies ist vor allem im impressionismus der fall.






 Die eigenständige Farbe

ein merkmal der modernen malerei ist, daß sich farbe und form vom gegenstand geloest haben. diese trennung fuehrt auch zur verfremdung des gegenstandes. die farbe soll als eigenen wert wirken.  sie hat ihren eigenen ausdruck.
sie kommt besonders in den expressionistischen bildern zum ausdruck.

Franz Marc: Kämpfende Formen, 1914, Öl auf Leinwand, 91 x 131 cm


Vertiefende Informationen:

Funktionen der Farben

Selbstverständlich sind Farben ein elementares bildnerisches Mittel. Sie wurden in der Kunst in verschiedenen Zeitepochen zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Künstler suchten nach neutralen Formen, die es Farben erlauben, sich frei zu entfalten. Farbe und Form sind untrennbar . Die Farbe kann „formsteigernd“ oder „formauflösend“ eingesetzt werden. Die Farbe ist ein raumschaffendes und ein Kontrastmittel. Farbe ist in der Farbperspektive unersätzlich. Farbe ist Stimmungsträger und ein stilistisches „Machtmittel“. Gerade mit Hilfe der Farbe lassen sich Person – Gegenstand - Beziehungen sowohl auf expressive oder auf impressive Art symbolisch und real ausdrücken.
Menschen haben gelernt, Farbe als Informationsträger zu nutzen, sie als Kommunikationsmedium einzusetzen,z. B. in der Werbung, in der Gestaltung von Produkten, auf Reklametafeln oder auf Wegweisern. Wir haben gelernt, dass rote Beeren und Tomaten reif sind, dass braune Blätter im Sommer auf Trockenheit oder Krankheit deuten, dass Fliegenpilze ungesund sind. In der Tierwelt besitzt die Farbe wichtige Arterhaltungs- und Fortpflanzungsfunktion. Durch Farben signalisieren Männchen ihre Paarungsbereitschaft und machen Weibchen auf sich aufmerksam.
Farbe dient auch der Tarnung, der Anpassung an die Umgebung und sichert damit das Überleben. Farben helfen bei der Nahrungssuche und bieten Schutz vor natürlichen Feinden. Auch der Mensch hat manche Verhaltensmuster der Natur und der Tiere übernommen:
Er schminkt sich, färbt sich die Haare, sorgt für gebräunte Haut und bringt durch Körperbemalung (Riten, Feste, Kriegsbemalung) seine Kultur, gesellschaftliche Stellung, sein Unbewusstes zum Ausdruck. Farbe wird als Ausdruck der Freiheit, der sozialen  Stellung, des Reifestadiums einer Person verstanden.
Farbe wird in der Architektur nicht nur zu ästhetischen Zwecken eingesetzt, z. B. zur Verschönerung des so genannten Betongrau, sondern auch zu wohnlichen Zwecken, zur ästhetischen Gestaltung der Innenräume .
Natürlich wird in der Kommunikation, Werbung und Industrie auch die Symbolkraft der Farben genutzt und entsprechend in der Produktgestaltung, in der Mode, beim Design zur „Ver - Sinn - Bildlichung“ eingesetzt. Mit Hilfe der Farben kann man einem Produkt, einem Gegenstand, einer Botschaft Symbolkraft und Suggestivwirkung verleihen. Farben können Stimmungen und Gefühle hervorrufen, sie können z. B. Kaufentscheidungen emotionalisieren und gegen das Rationale beeinflussen.
Farben wirken anregend, verstärkend oder beruhigend, dämpfend.
Die Heilkraft der farbigen Edelsteine ist seit langem bekannt und wird in verschiedenen Zusammenhängen praktiziert. Zur Heilung werden farbige Auflagen oder Tücher auf die erkrankten Organ- oderHautstellen gelegt. Man kann die Farbe ebenso wie die Mu-sik mit therapeutischer Absicht wirken lassen.
Mit Farbharmonien, Farbrhythmen, Farbkompositionen und natürlich mit der Farbwahrnehmung und der Farbarbeit lassen sich Entspannung herbeiführen, Konzentration steigern, Aufmerksamkeit wecken, Stimmungen und Gefühle auslösen. Es ist leicht nach zuweisen, welche Farben bestimmte Krankheiten „bevorzugen“, z. B. Lila, Violett, Grau, Schwarz dürften die bevorzugten Farben der Depression sein. So kann man an-nehmen, dass die Komplementärfarben die Symptome solcher Erkrankungen mindern und die Heilung begünstigen. 
(Auszüge von: Petra Weingart Werneck
Würzburg 2001)










Dienstag, 23. Oktober 2012

kl.11 renaissance ca 1400-1600

Renaissance = Wiedergeburt

Bedeutung: Wiedergeburt der Antike, d.h. das Anknüpfen an antike Bildungs- und Kunsttraditionen
Die Renaissance markiert den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, in ihr vollzog sich eine von der griechischen und römischen Antike inspirierte Erneuerung von Kunst und Wissenschaft (Humanismus).
Die Menschen überwinden jahrhundertealte Barrieren aus Glauben und Tradition. Sie gelangen in Wissenschaft, Kunst, Philosophie und Religion zu fundamentalen Erkenntnissen, entwickeln ein neues Selbstverständnis. Mit der Loslösung von der mittelalterlichen Gebundenheit an die kirchliche und feudale Ordnung entstand eine eher städtische Kultur, in der die Rolle des Bürgertums gegenüber der des Adels immer wichtiger wurde.
Die Künstler der Renaissance sind historisch bestimmbare, namentlich genannte Persönlichkeiten; die Themenkreise, die in der bildenden Kunst behandelt wurden, weiteten sich aus - es wurden auch profane Themen für weltliche Auftraggeber geschaffen. Die Ursprünge der Renaissance, die einen tiefen Einschnitt in der Geschichte von Kunst und Kultur markierten, lagen in Italien, insbesondere in Florenz.

Impulse für die neue Kunst

Die wesentlichen Impulse für die neue Kunst im Italien des 15. Jh. waren folgende:
• die Anstöße durch die Wiederentdeckung der Antike
• eine neuartige Zuwendung zur Natur
• der wissenschaftliche Stellenwert der Kunst
Alle drei stehen in einem inneren Zusammenhang und verbinden sich zu einer neuen Stil-Einheit.

Geistige Grundlage
• Humanismus: Einstellung, bei der der Mensch, die Würde als oberste Maßstäbe für die persönliche Lebensführung galt
• Ideal: freier, unabhängiger Mensch, Bildung des Geistes, Annerkennung der menschlichen Gleichwertigkeit

Wiederentdeckung der Antike 

Die Wiederentdeckung der Kunst der Antike begeistert ein Jahrhundert lang die elitäre Schicht Italiens.

• Vor allem auf den Universitäten von Bologna und Padua studiert man römisches Recht, antike Philosophen, antike Schriftsteller und antike Kunst-Theorien.

• Italienische Dichter reformieren die Dichtkunst; sie führen die antiken Versmaße wieder ein.

• In Florenz wird unter dem Fürstenhaus der Medici eine Philosophen-Schule gegründet.

• Italienische Gelehrte erforschen durch Grabungen, Vermessungen und Rekonstruktionen die antiken Denkmäler Roms. Das Pantheon mit seiner genialen Kuppel-Konstruktion wird bewundert und liefert vielfältige Anregungen für die neue Kunst.

• Päpste, Fürsten und Künstler sammeln antike Schriften, Plastiken und Münzen.

Man lehrte die Richtlinien, Gestaltungsprinzipien und Wertmaßstäbe der Antike. Man versuchte, ihr Wesen und ihren Geist zum Steuerprinzip des eigenen künstlerischen Schaffens zu machen. Dass dabei dennoch keine neue, keine zweite antike Kunst entstand, spricht für die enorme Schöpfungskraft der Renaissance.

Neue Zuwendung zur Natur

Die Natur ist die Schöpfung Gottes, des größten "Künstlers". Hier liegen alle Wurzeln der Schönheit, der Vollkommenheit und der "Natürlichkeit". Nur sind nicht alle Erscheinungsformen der Natur schön und vollkommen. Sie kennt auch das Missgebildete, das Hässliche. Daher besteht die Aufgabe des Künstlers darin, die Gesetze, die Grundidee der Natur zu studieren und zu erkennen, das Schöne auszufiltern und im Kunstwerk zu vervollkommnen. Auf diese Weise kann der Künstler die Natur übertreffen.

Kunst und Wissenschaft

Das Kunstwerk der Renaissance muss richtig und schön sein. Richtig ist es, wenn es dem Erscheinungsbild der Natur entspricht. Diese "natürliche" Richtigkeit ist zugleich die Grundbedingung für die Schönheit. So waren die Renaissance-Künstler geradezu gezwungen, sich wissenschaftlich mit der Natur auseinander zusetzen. Und sie taten es mit großer Intensität in zwei Bereichen:
• Sie studierten die Anatomie des Menschen, indem sie neben vielen Modell-Studien auch Leichen sezierten, um das Knochengerüst und Muskelpartien und ihre Funktionen kennen zulernen.

• Sie erforschten die Gesetze der Zentralperspektive, die nur dadurch gefunden werden können, dass sich die Künstler mit den Gesetzen der Optik und der Geometrie auseinandersetzen.
Die Abbildung der Natur war also in der Tat das Ergebnis wissenschaftlicher Erkenntnisse, und die so entstandenen Bilder hatten bei den Zeitgenossen den Rang konkreter wissenschaftlicher Ergebnisse

 

Die Darstellung des Raumes


Leonardo da Vinci: „Abendmahl“

Die Darstellung des realen, erfahrbaren Raumes gelingt dem Renaissance-Künstler mit Hilfe der Zentralperspektive. Sie macht es möglich, auf der zweidimensionalen Bildebene ein dreidimensional wirkendes Bild herzustellen, das dem Netzhautbild des menschlichen Auges entspricht. Die dazu notwendigen wichtigsten optischen und geometrischen Gesetze sind folgende:
• Der Horizont verläuft waagrecht und befindet sich immer in Augenhöhe des Betrachters (des beobachtenden Künstlers).

• Parallele Linienscharen (jeweils eine Gruppe von Linien, die untereinander parallel sind) haben sowohl in der Realität als auch auf der Abbildung einen gemeinsamen Fluchtpunkt.

• Jede eigene Linienschar hat einen eigenen Fluchtpunkt, d.h. so viele Linienscharen existieren, so viele Fluchtpunkte gibt es.

• Alle Linienscharen, die parallel zum Erdboden (Fußboden) verlaufen, haben ihren Fluchtpunkt auf dem Horizont.
Die Folgen dieser Konstruktion sind von höchster Bedeutung:
• Sie ermöglicht ein optisch einheitliches Bild, d.h.: alle Objekte sind in Größe und Proportionen mit ihren typischen Verkürzungen und Ansichten genau an der richtigen Stelle in ein einheitliches Koordinaten-System eingeordnet.

• Durch sie wird die Wiedergabe der Plastizität, der Stofflichkeit, der Licht- und Schattenphänomene erst voll wirksam. Jetzt erst ist die Illusion des natürlichen Objekts vollkommen.
Die Nachteile der zentralperspektivischen Raumwiedergabe, die im Grunde erst von der modernen Kunst aufgegeben wurde, sind erst uns ganz bewusst geworden. Sie betreffen zwei ganz verschiedene Phänomene:
• Um solche wissenschaftlich konstruierten Abbilder der Natur zu erhalten, musste man in vielen Fallen die Landschaften mit Architekturen versehen, da ja nur an geometrischen Gebilden parallele Linienscharen existieren, mit deren Hilfe man die wissenschaftliche Genauigkeit der Konstruktion demonstrieren konnte. So entstand auf vielen Renaissance-Bildern oft eine unwirkliche, zwar idealisiert wirken sollende, im Ganzen aber übertriebene und kalte Architektur-Kulissen-Landschaft.

• Die Zentralperspektive ermöglicht nur scheinbar eine objektivere Wiedergabe der Wirklichkeit. Es tritt das Phänomen auf, dass der Maler insofern ein subjektives Bild der Natur anfertigt, als ja das zentralperspektivische Bild nicht nur von ihren Objekten, von ihrer Lage zueinander und von ihrer Lage zur Projektionsebene abhängig ist, sondern ganz entscheidend vom spezifischen Standpunkt des Malers. Er ist — ganz ähnlich einem modernen Naturwissenschaftler beim Experimentieren — als Subjekt mit in die objektiven — hier räumlichen und optischen — Zusammenhänge einbezogen. Auch der Betrachter des Bildes ist gezwungen, die Dinge vom Standpunkt des Künstlers aus zu betrachten, oder — anders ausgedrückt — die Seite der Dinge zu sehen, die der Maler durch seinen eigenen, bewusst bezogenen Standort bestimmte.
 
Wir erhalten durch die Zentralperspektive kein Seinsbild der Dinge, sondern ein Erscheinungsbild. Wir erfahren nicht so sehr, wie die Dinge sind, sondern wie sie erscheinen.

Die Darstellung des Menschen

Mensch im Mittelpunkt (häufig Portraits)


Leonardo da Vinci, 
Proportionsstudie



Erste Voraussetzung für die Darstellung des Menschen ist die genaue Beachtung der Anatomie. Körperproportionen, Verkürzungen, Muskelspiel, Bewegungen, Drehungen, Stellungen, plastische Bezüge werden systematisch erforscht und in vielen Skizzen festgehalten. Es wird üblich, für ein einziges Bild viele anatomische und sonstige Vorzeichnungen anzufertigen.
Da der Renaissance-Künstler sich seines Menschseins in neuer Weise bewusst wird, entdeckt er Normen und Gesetzmäßigkeiten der körperlichen Erscheinung des Menschen und schärft dabei gleichzeitig sein Empfinden für das, was außerhalb der Norm liegt, für das Einmalige, das Besondere, für die Individualität des Menschen.
Die Portrait- und Selbstportrait-Malerei beginnen im Grunde erst mit der Renaissance und erreichen zugleich einen künstlerischen Höhepunkt. Der Portraitierte wird nicht nur durch seine spezifische Physiognomie, sondern häufig auch durch Attribute seiner persönlichen Umwelt charakterisiert, bisweilen sogar schon durch rein bildnerische Mittel, wie z.B. die Farbe des Hintergrundes etc.
Umwelt und Mensch bilden eine Einheit, sie sind Teil ein und derselben Ordnung. Mit Hilfe der Zentralperspektive gelang es, diese Einheit harmonisch darzustellen: der Mensch in der Architektur, in seinen persönlichen Räumen, in der Natur, in der Landschaft. Nur ganz selten kommt es vor, dass ein Portrait vor einen neutralen Hintergrund gestellt wird. Das löst ihn aus seiner Welt heraus.
Die natürliche Darstellung des Menschen wird erst glaubhaft, wenn sie die Bewegung des menschlichen Körpers einfangen kann.
Die Renaissance-Figuren enthalten den künftigen Bewegungsablauf schon in der Darstellung der Muskeln. Öfters wurden daher die Menschen auf Renaissance-Bildern nackt gemalt und nachträglich erst mit Kleidern ausgestattet.

Der nackte Mensch

Ohne Scheu und religiöse Hemmungen wird der nackte Mensch in den Mittelpunkt des künstlerischen Interesses bestellt. Er ist eines der häufigsten Motive. Die Gründe dafür sind nur selten erotischer oder sexueller Natur, sondern folgende:
• Am nackten menschlichen Körper wird Maß, Proportion, Bewegung und Harmonie demonstriert.

• Er zeigt sich in seiner Natürlichkeit als Teil des großen Schöpfungszusammenhanges.

• Seine Nacktheit ist das Symbol seiner paradiesischen Unschuld.

• Nach antiker Auffassung ist nur der nackte Mensch schön. Seine Schönheit aber ist das Symbol des Göttlichen.

Die Darstellung der Schönheit

Boticelli, Nacimiento

Die Darstellung der Schönheit ist eine Konstante in der Kunst der Renaissance, besonders der italienischen. Der Künstler hatte mehrere Wege, dieses Ideal in seinen Schöpfungen zu verwirklichen:
• durch Gesetzmäßigkeit
• durch Idealisierung
• durch die Farbe
Viele Renaissance-Künstler haben, besonders was den weiblichen Körper und das weibliche Antlitz betrifft, ein Schönheitsideal entwickelt, das auf vielen ihrer Bilder wiederkehrt, ohne dass man allerdings von Schematisierung oder Schabionisierung reden kann. Der Eindruck der Individualität bleibt immer erhalten.

Gesetzmäßigkeit



Raphael, la madone sixtine

Gesetzmäßigkeit und Regel, Ordnung und Maß finden sich in den Proportionen des menschlichen Körpers.
Schönheit durch Gesetzmäßigkeit sucht man in der Proportionslehre der Geometrie: das harmonische Verhältnis verschiedener Größen, Breiten, Längen und Linien in ihren Teilungen zueinander. Bekanntes Beispiel ist der "Goldene Schnitt" (Teilung einer Strecke, wobei die kleinere zur größeren im selben Verhältnis steht, wie die größere zur Gesamtstrecke). Die Antike hatte das Gesetz des Goldenen Schnittes entdeckt. Die Renaissance wendet es wieder an.
Der Goldene Schnitt


Auch bei den Verhältnissen beim menschlichen Körper ist der Goldene Schnitt zu finden (siehe folgende Grafik): Die Strecke vom Bauchnabel bis zum Kopf (grün 3) durch die Strecke vom Bauchnabel bis zum Boden (rot 3) entspricht der selben Zahl (Phi) wie die gesamte Körpergröße (grün 3+ rot 3) durch die größere Strecke vom Kopf bis zum Bauchnabel (grün 3). Das heißt der Bauchnabel eines Menschen markiert in der Regel den Goldenen Schnitt.

Die Komposition eines Renaissance-Bildes erfolgt meist nach strengen geometrischen Gesetzen. Alle Bildelemente, besonders die thematisch und optisch im Vordergrund stehenden, werden in ein strenges Gefüge eingeordnet, dem der Kreis, das gleichseitige Dreieck oder das Quadrat zugrunde liegt. Oft aber sind alle drei regelmäßigen geometrischen Figuren in einem einzigen Schema verknüpft. Geometrie, Gesetzmäßigkeit, Harmonie und Schönheit sind für den Renaissance-Künstler wesensverwandt.

Idealisierung

Die Kunst der Renaissance ist nicht realistisch. Sie wendet sich zwar in einem nie dagewesenen Maß der Wirklichkeit zu und versucht, sie mit naturalistischen Mittel abzubilden. Da aber die Wiedergabe der Schönheit oberstes Prinzip ist, muss der Künstler die Realität filtern, die brauchbaren Elemente reinigen und auf eine Idee hin vervollkommnen. Die Natur wird übertroffen.
Nicht selten hat die gemalte Architektur die Aufgabe, die Richtigkeit des zentralperspektivisch gemalten Raumes, auch des Landschaftsraumes, und die Harmonie der Architektur — und gleichzeitig der ganzen Landschafts- und Bildgliederung nachzuweisen.
Auch die Landschaft ist nach allen Kriterien der realistischen Wiedergabe des Netzhautbildes und detail-naturalistisch gestaltet. Aber gerade sie ist durch Auswahl der Motive, durch die delikate Behandlung aller Gegenstandselemente und durch ihre Komposition in höchstem Maß idealisiert. Nie soll eine real existierende Topographie wiedergegeben werden. Die Landschaft ist Sigel für die vollkommene Natur, für den Garten Eden, sie ist Spiegelbild für das Schöne und Göttliche.

 

 Farbe

Schönheit drückt sich selbstverständlich in den Farben aus. Die Farbkomposition ist ein Spiel mit Farbklängen, die sich zu einer Gesamttonart zusammenfügen, die den spontanen Anmutungscharakter eines Bildes bestimmt, wie die Tonart eines Musikstückes. Die sensible Einordnung aller Farbtöne in die Gesamtkomposition ist die primäre Aufgabe. Alle anderen Funktionen der Farbe (Definition von Gegenstand, Plastizität, Licht und Schatten, Stofflichkeit, Landschaftsatmosphäre etc.) sind untergeordnet.
Bei der Farbgebung zeigt sich die Idealisierung der Renaissance-Kunst am deutlichsten.

 

Wirklichkeitsnähe

Aus allem bisher Gesagten ergibt sich von selbst die Tatsache, dass der Renaissance-Künstler bei all seinen Darstellungen um Natürlichkeit, um Naturnähe bemüht ist. Er will seine Umwelt, seine Umgebung untersuchen, kennen lernen und genau wiedergeben. Das heißt nicht, dass er keine religiösen Themen behandeln würde. Im Gegenteil, sie dominieren nach wie vor. Nur stellt er sie jetzt in eine natürliche Umgebung. Wenn der Künstler jetzt Metaphysisches darstellen will, dann muss er es durch die Metaphysik der Schönheit erreichen. Der äußere Rahmen bleibt die irdische Natur.
Die technischen und theoretischen Mittel werden im Verlauf des 15. Jh. bis zur Perfektion entwickelt Und beherrscht.

Immer nur ging es ihm um den Idealzustand der Natur. Immer wollte er den Erscheinungen der Natur Poesie und Schönheit verleihen und sie dadurch transparent machen für eine höhere Seinsordnung als die Sichtbare, transparent machen für ein göttliches Prinzip.

Der Renaissance-Künstler

Die Kunst hatte im Bewusstsein der gebildeten Schicht einen nie geahnten Stellenwert erreicht. Die Kunst, die Kunstwerke und die Künstler wurden geachtet und gefeiert wie nie zuvor in der Geschichte. Der Name eines anerkannten genialen Künstlers musste mit seinem Werk mitgekauft werden. Das gilt noch bis heute, bis in die Pop-Kunst. Dies kommt in den Signaturen der jeweiligen Künstler zum Ausdruck.


Nach: G.J. Janowitz - Wege im Labyrinth der Kunst. Sera Print, Einhausen 1987

Montag, 15. Oktober 2012

die kamera luegt nicht...


Das vielleicht größte Missverständnis über die Fotografie kommt in dem Worte „die Kamera lügt nicht" zum Ausdruck. Genau das Gegenteil ist richtig. Fotos sind „Lügen" in dem Sinne, daß sie nicht vollkommen der Wirklichkeit entsprechen: sie sind zweidimensionale Abbildungen dreidimensionaler Objekte, teils Schwarz-Weiß-Bilder farbiger Wirklichkeit, „starre" Fotos bewegter Objekte. Jedes Foto, das „nichts geworden ist", jedes Bild, das für den Fotografen eine Enttäuschung war, weil es nicht das ausdrückte, was er sagen wollte, ist ein Beispiel dafür. Und doch ist jedes Foto gleichzeitig eine getreue und authentische Wiedergabe eines Objekts oder eines Geschehnisses in dem Augenblick der Aufnahme. Dieses scheinbare Paradoxon erklärt sich dadurch, daß ein Foto eine authentische Abbildung alles Sichtbaren ist, das im Bereich des Objektives lag. In erster Linie ist es die Fülle nichtssagender Dinge, der Mangel an grafisch wirksamen Eigenschaften und das Fehlen gefühlsmäßig bedeutsamer nicht greifbarer Dinge, die so viele Fotos als „Lügen" erscheinen lassen.
aus:  Feininger, Andreas: Die Neue Fotolehre. Düsseldorf 1965. S. 69 ff., S. 287 ff. und S. 370 fT.

straight / direkte fotografie


Was hat die Realität mit der Fotografie zu tun? Nichts, wenn man die Auffassung vertritt, Fotografie ist alles, was durch ein technisches Verfahren auf Fotopapier festgehalten wird.
Fragt man die Puristen, die Dokumentarfotografen –
so ist für sie die Realität alles und der Rest nur Feuilleton. Aber auch die Fotografen, die die Wirklichkeit inszenieren, reklamieren natürlich auch für sich die Realität als Inspirationsquelle. Das Merkmal »Realität« reicht also nicht aus, um die »direkte Fotografie« einzukreisen.
Handelt es sich doch bei der »direkten Fotografie« um ein Vorgehen, in der die künstlerische Produktion vergeistigt,  abstrahiert wird.
Die »direkte« Kunst reflektiert im besten Fall unmittelbar die gesellschaftlichen Gegebenheiten. Durch die Benutzung der Kamera muss der Künstler vor Ort sein, draußen, -  nicht im Schutz eines Ateliers oder eines Computerraums. Diese Konfrontation mit der Realität verändert die Fotos und den Fotografen. Es ist Zufall möglich, Scheitern und Erfolg liegen eng beieinander und der Fotograf lernt weiter, wie die Realität aussieht. Für den Fotografen macht dieser Kampf zwischen Zufall und seinen Fähigkeiten den Reiz dieses Genres aus. Dies ist auch ganz im Sinne des Betrachters, der Zugang bekommt zu menschlichen Bereichen, die ihm verschlossen sind, oder es werden ihm bekannte Dinge unter einem neuen Blickwinkel gezeigt. Die »direkte Fotografie« ist damit nicht nur eine mediale Variante der Fotografie, sondern auch ein inhaltliches Programm.
auszüge aus: © Thomas Leuner, März 2003